Gauklerbrunnen im Stadtgarten

Kunst im öffentlichen Raum

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): zielske photographie

Künstler: Wilhelm Fassbinder

Titel: Grabmal Schulte-Witten

Der Dorstfelder Kommunalfriedhof wurde 1861 erstmals amtlich erwähnt, ist aber vermutlich älter und besteht aus einem historischen Bauernfriedhof und einem jüdischen Friedhof. Absolut zeittypisch ist die bemerkenswert schöne Ausführung eines Jugendstilengels als Trauernde am außergewöhnlich monumentalen Grabmal der Familie Schulte-Witten, das heute unter Denkmalschutz steht. Nach der beliebten „Trauernden“ waren Engel seinerzeit die zweithäufigste Motivgruppe in der Grabplastik und wurden mit wenigen Ausnahmen jung und weiblich dargestellt.

Standort:
Do-Dorstfeld, Twerskuhle 24 (Kommunalfriedhof Dorstfeld), 44149 Dortmund
Jahr:
1907
Beschriftung:
Signatur unten am Gewand: "AKTIENGESELLSCHAFT GLADENBECK, BERLIN-FRIEDRICHSHAGEN"; Grabinschrift: „SCHULTE-WITTEN“; „HEINR. SCHULTE-WITTEN GEB. 17.1.1851 GEST. 13.7.1907 EHRENAMTMANN UND FIDEIKOMMISSBESITZER“; „HEINR. SCHULTE-WITTEN GEB. 18.6.1884 GEST. 18.1.1930 FIDEIKOMMISSBESITZER“; „HILDEGARD SCHULTE-WITTEN GEB. BOEMKE GEB. 27.4.1893 GEST. 19.1.1967“; li.Seite: „CATH. ELISABETH SCHULTE-WITTEN GEB. JÜHE 1775-1863“; „DIETR. HEINR. SCHULTE-WITTEN 1825-1869“; „ADOLF BRINKMANN 1841-1875“; „ADOLF MARIE EUGEN BRINKMANN [Rest fehlt]1872“; re.Tafel: „JOH. FRIEDR. SCHULTE-WITTEN 1807-1884“; „GUSTAV SCHULTE-WITTEN 1853-1904“; „WILHELMINE SCHULTE-WITTEN GEB. VOERSTE 1826-1881“; „ELISE BRINKMANN GEB. SCHULTE-WITTEN 1848-1913“
Technik/Material:
Bronze, Granit o.ä.
Höhe:
ca. 2 m
Breite:
2 m
Kunstwerknr.:
44149-016
Grabmal Schulte-Witten
Grabmal Schulte-Witten

In einer 100 qm großen Grabanlage mit Umfassungsmauern befindet sich am Familiengrab von 1907 vom Ehrenamtsmann und Fideikommissbesitzer Heinrich Schulte-Witten (1851-1907) eine Grabplastik des Kölner Bildhauers Wilhelm Fassbinder (1858-1915). Vor einem monumentalen Grabpfeiler aus rustiziertem Mauerwerk steht der über 2 Meter große Bronzeengel mit geöffneten Flügeln im Kontrapost. Die weibliche Figur hat in verhaltener Trauer den Kopf gesenkt, stützt sich mit der einen Hand an einer Art „Sarkophag“ ab und fasst sich mit der Anderen vor Ergriffenheit an die Brust. Sie trägt ein stoffreiches, bodenlanges Gewand, das den Körper deutlich umspielt und an den Schultern von Knöpfen gehalten wird. Ihre Haare sind zu einer zeitgenössischen Frisur hochgesteckt. Sehr gut vermittelt wird die zeittypische Vorliebe sanfter Trauer mit einem Hauch von Erotik. Der Kölner Bildhauer und Dekorateur Wilhelm Fassbinder (1858-1915) schuf zahlreiche Grabmäler und Bauplastiken. Bis 1900 ist seine Kunst stilistisch dem Eklektizismus zuzuordnen, danach der Reformkunst und dem Neoklassizismus. Längst waren Engel im späten 19. Jahrhundert nicht mehr nur biblisch zu interpretieren, sondern „als Verkörperung des Reinen und Schönen“ (Fischer, 2008) zu verstehen. Die Darstellung des Engels als „Trauernde“ verbindet die beiden beliebtesten Motive des Bürgerlichen Zeitalters miteinander. Die Engelsfigur ist so harmonisch in die Architektur eingepasst, dass man vermuten kann, dass Wilhelm Fassbinder Beides als Gesamtkunstwerk konzipiert hat. Der formale Aufbau, die Oberflächenbearbeitung sowie die Lettern am Grabmal dienen einer stilistischen Zuordnung zum Jugendstil. Anna-Maria Götz schrieb in ihrem Aufsatz „Zwischen Status, Prestige und Distinktion“ über das Grabmal Herrmann (1904/5) auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf: „Die Proportionen der Anlage erinnern an die Größenverhältnisse zeitgenössischer Denkmäler: Fundament und Sockel, massiver Aufbau mit Standfigur und Dekorelementen lassen das Grabmal wie ein privates Grab-Denkmal erscheinen.“ Dies trifft genauso auf die Grabanlage der Schulte-Wittens zu. Nicht selten hatten die ausführenden Künstler sich bereits mit der Gestaltung öffentlicher Denkmäler befasst, so wie Wilhelm Fassbinder. Der Bildhauer hat hier mit repräsentativen Materialien wie Sandstein, Bronze und Granit eine wahrhaft imposante Anlage geschaffen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Ausmaße der Inszenierung, die das Familiengrab als „privaten Friedhof im Friedhof“ (Ebenda, S. 28) erscheinen lassen. IF

Ulrich Thieme/Felix Becker, Hans Vollmer (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 11, Leipzig 1907/1950, S. 286; https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Fassbinder [Abruf:06.03.2014]
Joh. Ralph Beines: Wilhelm Fassbinder, in: Saur Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Mitherausgegeben und begründet von Günter Meißner. K. G. Saur, Bd. 37, München/Leipzig 2003, S. 169.; Mona Sabine Meis: Historische Grabdenkmäler der Wupperregion, Diss., Wuppertal 2003, S. 82. Norbert Fischer: Von Engeln, Schmetterlingen und dem Übergang ins Jenseits, in: Ohlsdorf-Zeitschrift für Trauerkultur, Ausgabe Nr. 100/101, I+II, Hamburg 2008. Zitiert nach https://www.fof-ohlsdorf.de/thema/2008/100s10_von-engeln-schmetterlingen-jenseits[Abruf:18.2.2021] Nils Kowalewski: Vom alten Dorstfelder Friedhof, in: Heimat Dortmund. Stadtgeschichte in Bildern und Berichten, Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. (Hg.), H. 3, Dortmund 2011, S. 44-47.; Anna-Maria Götz: Zwischen Status, Prestige und Distinktion. Das bürgerliche Familiengrab und der Wandel des Bestattungswesens im 19. Jahrhundert, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Archiv für Sozialgeschichte Bd. 55, Bonn 2015, S. 19-39, hier S. 26 ff. u. S. 29.
Wilhelm Fassbinder wurde am 20. April 1858 in Köln geboren. An den Besuch der Elementarschule schloss er eine Ausbildung zum Steinmetz und eine künstlerische Ausbildung in der Werkstatt seines Stiefvaters an. Er schuf zahlreiche Grabmäler und Bauplastiken. Allein auf dem Kölner Melaten-Friedhof stehen 71 von Fassbinder gestaltete Grabmäler. In Dortmund entstanden der Kaiserbrunnen, die Bismarck-Gedenktafel und der Eisengießer- oder Steinplatzbrunnen nach seinen Entwürfen. 1911 wurde er für sein Kaiser-Wilhelm-Brunnendenkmal in Daun / Eifel mit dem Preußischen Kronenorden Vierter Klasse von Kaiser Wilhelm II. persönlich ausgezeichnet. Fassbinder starb am 10. August 1915 an einem Schlaganfall. SR

Quelle: Ruhe Sanft. Dortmunder Friedhofsgeschichte(n), in: Heimat Dortmund. Stadtgeschichte in Bildern und Berichten, Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V. (Hg.), 3/2011, Dortmund 2011.;