Gauklerbrunnen im Stadtgarten

Kunst im öffentlichen Raum

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): zielske photographie

Künstler: Bernhard Hoetger

Titel: Sent M'Ahesa

Die Skulptur stellt die lettische Tänzerin Sent M’Ahesa dar, die seit 1909 als gefeierter Star mit „ägyptischen“ Tänzen Europas Bühnen eroberte. UG

Standort:
Do-Hörde, Schildplatz, 44263 Dortmund
Jahr:
1922, um 1985 Nachguss,
Beschriftung:
Tafel: "1985 / Sent M'Ahesa / "Die Tänzerin" / Skulptur von Bernhard Hoetger / geb. am 4.5.1874 in Hörde"
Technik/Material:
Skulptur: Bronze; Sockel: Ziegel
Höhe:
ca. 1,6 m
Breite:
0,8 m
Kunstwerknr.:
44263-012
Die Tänzerin (Bernhard Hoetger)
Bild: Jürgen Spiler
Die Tänzerin (Bernhard Hoetger)
Bild: Jürgen Spiler

In abenteuerlichen Kostümen, mal mit riesigen Flügeln, mal mit Kopfputz aus Pfauenfedern führte Sent M’Ahesa alias Else von Carlberg (1883-1970) zweidimensional wirkende Tänze auf. Ägyptische Malereien und Reliefs hatten sie angeregt. Ihre eckigen und geometrischen Bewegungen beschrieb Karl Ettlinger 1910: „... harte, fast unnatürlich gebrochene Linien bildet ihr Körper. Arme und Beine nehmen mitunter gliederpuppenhafte Stellungen ein. Aber gerade diese absichtsvolle Beschränkung der Gesten gibt ihr die Möglichkeit bisher unbekannter Steigerungen, raffiniertester Verfeinerungen des körperlichen Ausdrucks. Mit einem Senken des Armes um wenige Millimeter ruft sie Wirkungen hervor, die alle Tricks der Ballettschule nicht zu erzielen vermögen.“ Sent M’Ahesa tanze ohne direkte Beziehung zum Publikum, schilderte Frank Thiess 1920. Dies bewirke, dass ihre Tänze „immer eine gewisse Ferne atmen, jeder Popularität entbehren und viele fremd anmuten.“ Meist bewege sie sich in Kostümen, die „der Nacktheit näher stehen als der Bekleidung“, dennoch fehle ihrer Kunst das sinnliche Element, behauptete Thiess. Man könne sich als Hintergrund eher den Vorhang eines Tempels als den eines Sultanzeltes vorstellen. Sent M’Ahesa war nicht nur auf der Bühne sondern auch im Film präsent. 1917 entstand „Die entschleierte Maja“ unter der Regie von Ludwig Beck, 1920 der Film „Haß“ von Manfred Noa. Max Beckmann porträtierte die Künstlerin 1921. Bernhard Hoetger, der mit ihr freundschaftlich verbunden war, erstellte 1917 eine Büste der Tänzerin. Sie wurde in Gips, Steinguss und Bronze mehrfach ausgeführt. Vielfach in der Weimarer Republik ausgestellt, avancierte sie zur Ikone des Expressionismus. 1922 entstand die nahezu lebensgroße Ganzfigur „Sent M’ Ahesa“ aus Gips und aus Bronze. Sie wirkt blockhaft und unbewegt. Ein Dreieck scheint als Grundform in die Figur eingeschrieben zu sein. Der pyramidale Körper ist zudem stark abstrahiert. Der Grad der Abstraktion nimmt dabei von unten nach oben stetig ab. So sind die Beine nicht vollplastisch sondern nur reliefartig modelliert. Erst ihr rechter Arm gewinnt an Plastizität, der linke stemmt sich bereits in die Hüfte. Das Gesicht ist schließlich am stärksten differenziert. Mit erhabenem majestätischen Blick schaut Sent M’Ahesa in die Ferne über den Betrachter hinweg. Nachdem 1926 die Bronzebüste „Sent M’Ahesa“ auf der 1. Großen Westfälischen Kunstausstellung in Dortmund zu sehen gewesen war, stiftete der Museumsverein 1929 die Ganzfigur „Sent M’Ahesa“ dem Städtischen Kunst- und Gewerbemuseum in Dortmund. 1937 wurde die Skulptur im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt. Allerdings hat sie das Museum nie verlassen. Nur zwei Fotos wurden nach Berlin geschickt. Im Oktober 1985 wurde eine Replik des Originals auf dem Schildplatz in Hörde aufgestellt. Eine weitere Replik steht seit 1980 in der Partnerstadt Amiens. UG

Carl Emil Uphoff: Bernhard Hoetger, Leipzig 1919; Albert Theile: Bernhard Hoetger. Leben und Werk. Eine Übersicht, in: Wilhelm Brockpähler: Hörde. Ein Heimatbuch für die Stadt und ihre Umgebung, Hörde 1928, S. 303-310; Albert Theile (Hg.): Bernhard Hoetger. Bildhauer, Bremen 1930; Albert Theile: Bernhard Hoetger, Recklinghausen 1960; Suse Drost: Bernhard Hoetger, Bremen 1974; Dieter Golücke: Bernhard Hoetger. Bildhauer, Maler, Baukünstler, Designer, Worpswede 1984; Walter Edmund Saal: Bernhard Hoetger. Ein Architekt des norddeutschen Expressionismus, Diss. Bonn 1989; Eugen Thiemann: Hoetger, Worpswede 1990; Bernhard Hoetger. Skulptur, Malerei, Design, Architektur, hg. v. Maria Anczykowski. Ausst.-Kat. Kunstsammlungen Böttcherstraße Bremen, Bremen 1998; Willi Garth: Bernhard Hoetger - ein unstetes Genie aus Hörde, in: Echo/Süd-Zeitung, 29. August 2001; Sent M’Ahesa tanzt in Hoerde, Ausst.-Kat. der Bezirksverwaltungsstelle Dortmund-Hörde, Dortmund 2008.
Bernhard Hoetger 1874-1949. Sein Leben und Schaffen, hg. v. Ludwig Roselius d. J., Bremen 1974, Nr. 95; Anonym: Hoetger-Plastik als Geschenk für Amiens, in: Ruhr-Nachrichten, 13. Juni 1980; Anonym: Statue wurde übergeben. Lebensgroße Tänzerin ziert den Schildplatz, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 26. Oktober 1985; Anonym: Skulptur für Schildplatz. Weiter Plastik von Bernhard Hoetger übergeben, in: Ruhr-Nachrichten, 29. Oktober 1985; Walter Edmund Wolfgang Saal: Bernhard Hoetger. Ein Architekt des norddeutschen Expressionismus. Diss. Universität Bonn, Bonn 1989, S. 46; Marianne Lindhout: Tanz als beseelte Plastik, Plastik als beseelter Tanz. Einige Beobachtungen zu Hoetgers „Tänzerinnen“, in: Bernhard Hoetger. Skulptur, Malerei, Design, Architektur, hg. v. Maria Anczykowski. Ausst.-Kat. Kunstsammlungen Böttcherstraße Bremen, Bremen 1998, S. 30-41, S. 376; Öffentliche Denkmäler und Kunstobjekte in Dortmund. Eine Bestandsaufnahme unter Leitung von Jürgen Zänker, erarbeitet von Iris Boemke u. a., Dortmund 1990, Nr. 267, S. 218; Bernhard Hoetger, hg. von Ingo Bartsch, Ausst.-Kat. Museum am Ostwall, Dortmund 1995, Kat. Nr. 14, S. 49; Christiane Althoff: Bernhard Hoetger, Sent M’Ahesa, in: präsent. Zur Geschichte eines Fördervereins und seines Museums in Dortmund, hg. von Harald Walter Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, Dortmund 1998, S. 100-101; Ulrike Gärtner, Bernhard Hoetger, Sent M’Ahesa... nur zwei Fotos abgesandt, in: Heimat Dortmund 3/2007, S. 30- 34; Marianne Lindhout: Flamme und Brennholz. Zur „inneren Verwandschaft“ von Sent M’Ahesa und Bernhard Hoetger, in: Bernhard Hoetger. Sent M’Ahesa tanzt in Hörde, Ausst.-Kat. Bezirksverwaltungsstelle Dortmund-Hörde, Dortmund 2008, S. 13-23; Ulrike Gärtner: Bernhard Hoetger: Sent M’Ahesa... nur zwei Fotos abgesandt, in: Ebenda, S. 24-29; Simone Ewald: Sent M’Ahesa, in: Bewegte Bronze. Tanzplastiken von Bernhard Hoetger, hg. v. Simone Ewald und Frank Laukötter, Ausst.-Kat. Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen 2012, S. S. 42-63; Faszination Nofretete. Bernhard Hoetger und Ägypten, hg. von Katja Lembke, Ausst.-Kat. Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Hannover 2013.
Bernhard Hoetger (1874-1949), eigentlich Bernard Hugo Hötger, Sohn eines Schneidermeisters aus Hörde, arbeitete zunächst als Steinmetz, bevor er 1898 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Karl Janssen Bildhauerei studierte. 1900-1905 lebte er in Paris, wo er unter anderem Auguste Rodin und Paula Modersohn-Becker kennenlernte. Seit 1908 zählte Bankier Freiherr August von der Heydt, Elberfeld, zu seinen wichtigsten Auftraggebern. Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein berief ihn 1911 an die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt und ernannte ihn zum Professor.1913 siedelte Hoetger nach Fischerhude und 1914 nach Worpswede um, wo er unter anderem das Haus „Kaffee WINUWUK“ (1921/23) realisierte. 1917-1919 arbeitete er vornehmlich für den Keksfabrikanten Hermann Bahlsen, Hannover. 1919 trat er dem „Arbeitsrat für Kunst“ und der „Novembergruppe“ bei. Der Bremer Kaffeemagnat Ludwig Roselius zählte ab 1923 zu seinen Förderern. In seinem Auftrag realisierte Hoetger das „Paula-Becker-Modersohn-Haus“ (1926/27) und das „Haus Atlantis“ (1930/31) in der Bremer Böttcherstraße. 1934 forderte der Völkische Beobachter den Abriss des Hauses Atlantis. Dennoch trat Hoetger, der selbst nordisch-völkische Ideen vertrat, der NSDAP bei. 1938 wurde er allerdings schon wieder ausgeschlossen. 1933/34 wurden das Ebert-Denkmal in Dortmund sowie das Revolutionsdenkmal und die Figuren am Volkshaus in Bremen demontiert. 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ 14 Kunstwerke aus dem Besitz öffentlicher Sammlungen. Dennoch konnte er unter anderem für die Luftwaffenschule Greifswald arbeiten. Nachdem sein Wohnhaus in Berlin 1943 zerstört und er nach Niederbayern evakuiert worden war, zog er 1946 in die Schweiz nach Beatenberg bei Bern, wo er drei Jahre später starb. 1968 erhielt er gemeinsam mit seiner Frau Lee ein Grab auf dem Dortmunder Ostfriedhof. UG