Rotunde im Museum für Kunst und Kulturgeschichte

Museum für Kunst und Kulturgeschichte

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Karin Hessmann

Objekt des Monats April 2024 im Museum für Kunst und Kulturgeschichte

Bild eines Lackschränkchens, 70 cm hohes Kabinettschränkchen, gefertigt aus Fichtenholz, schwarz lackiert

Lackschränkchen, Holländisch, nach 1688, Weichholz, lackiert 71 x 38 x 22 cm, Inv.-Nr. C 5798 a-b
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): ©MKK, Madeleine-Annette Albrecht

Lackschränkchen
Holländisch, nach 1688
Weichholz, lackiert
71 x 38 x 22 cm
Inv.-Nr. C 5798 a-b

Das Lackschränkchen gehört zu den "Kleinen Möbeln": ein nur 70 cm hohes Kabinettschränkchen, gefertigt aus Fichtenholz, schwarz lackiert und mit einer Goldmalerei versehen die Chinesen, Pagoden, Vögel und Blumen darstellt. Möbelstücke – nach ostasiatischen Vorlagen lackiert und dekoriert – erfreuten sich vom späten 17. bis frühen 18. Jahrhundert an den europäischen Fürstenhöfen großer Beliebtheit. So auch dieses Stück. Es stammt aus dem Schloss Hehlen an der Weser (Grafen Schulenburg) und ist vermutlich aus dem Besitz von Sophie Charlotte von Hannover, Kurfürstin von Brandenburg (1668-1705), dorthin gelangt.[1]

Der Schrank steht auf einem tischartigen Unterbauch auf vier gewundenen Beinen, die mit einem x-förmigen Steg verbunden sind. Er kann durch zwei Flügeltüren geöffnet werden. Außen herum ist ein durchbrochenes Schweifwerk angebracht: ein Ornament aus Akanthus und zwei kleinen Muscheln auf beiden Seiten des rundbogigen Gesimses. Als Bekrönung des kleinen Schranks fungiert eine Kartusche mit Kurhut und dem Spiegelmonogramm SC. Dabei handelt es aller Wahrscheinlichkeit nach um das Monogramm der Kurfürstin Sophie Charlotte von Hannover.[2]

Bild eines geöffneten Lackschränkchens, 70 cm hohes Kabinettschränkchen, gefertigt aus Fichtenholz, schwarz lackiert, innen mit bunten Verzierungen

Lackschränkchen, Holländisch, nach 1688, Weichholz, lackiert 71 x 38 x 22 cm, Inv.-Nr. C 5798 a-b
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): ©MKK, Madeleine-Annette Albrecht

Im Inneren des Schränkchens gibt es zwei Reihen mit je drei kleinen Schubladen. Darüber verläuft ein Flachbrett, dessen oberer Teil rot gelackt ist. Die Schubladen sind wie der innere Teil der Türen weiß lackiert und mit bunten Chinoiserien bemalt und vergoldet.
Ihre Blütezeit erlebten solche Lackmöbel zwischen 1680 und 1720. Nachdem Ende des 15. Jahrhunderts der Portugiese Vasco da Gama den Seeweg nach Asien entdeckt hatte, verstärkte sich der Handel zwischen Europa und Asien. Die Ost-Indien-Compagnie verschiffte vor allem Silber nach China und kaufte dafür Porzellan und Stoffe an. Im Zuge dieses Handels gelangten auch ostasiatische Lackmöbel nach Europa und erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Im 17. Jahrhundert war die Nachfrage nach diesen ostasiatischen Lackarbeiten derart gestiegen, dass europäische Manufakturen begannen, die Möbel und die Lacktechnik zu kopieren. Vorausgegangen war 1688 die Veröffentlichung eines Handbuchs von Georg Paker und John Stalker, Treatease of Japanning an Varnishing, in dem die beiden nicht nur Rezepturen zur Herstellung der Lacke, sondern auch Arbeitsanleitungen zum Vorgehen beschrieben sowie Motive als Vorlage festhielten. Infolgedessen konnten die lackierten Waren nun überall hergestellt werden und es kam zu einem Preissturz für Importwaren. Die bunten Szenen im Inneren des Schränkchens sind vermutlich den Vorlagen aus dem Handbuch Treatease of Japanning an Varnishing nachempfunden. Allerdings lassen sich darin keine genauen Übereinstimmungen finden.

Der Kabinettschrank entstammt vermutlich aus einer holländischen Manufaktur, worauf die "gedrungene Form" der Malerei schließen lässt, so jedenfalls folgert der Experte für Lackkunst, Walter Holzhausen, in einer Mitteilung an den früheren Museumsdirektor Rolf Fritz im Dezember 1963.
Die Funktion solcher Kleinmöbel ist nicht eindeutig zu bestimmen. Bei diesem handwerklich und künstlerisch vollendeten gearbeiteten Möbel handelt es sich jedoch nicht um ein Modell oder ein Spielzeug. Die Freude und Faszination an dem kleinen modischen Behältnismöbel dürfte im Vordergrund gestanden haben: Es diente vermutlich zur Aufbewahrung kleiner nützlicher Dinge wie Briefe, Schmuck oder Handarbeitsgerät.

Dr. Nassrin Sadeghi

[1] Auskunft des Niedersächsischen Staatsarchivs vom 18. November 1963 an das Museum für Kunst und Kulturgeschichte.

[2] Aufgrund der Anbringung der Initialen und des Kurhuts ist eine Datierung des Schränkchens auf die Zeit zwischen 1688 und 1701 anzunehmen. Sophie Charlotte heiratete 1684 den brandenburgischen Kurprinzen Friedrich III. Dieser erhielt 1688 die Kurwürde. 1701 wurde Sophie Charlotte zur ersten Königin von Preußen gekürt.

Literatur:

  • Diessinger, Gunter Rudolf: Ostasiatische Lackarbeiten sowie Arbeiten aus Europa, Thailand und Indien, Sammlungskatalog Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig. Braunschweig 1990.
  • Himmelheber, Georg: Große Wunder. Kleine Möbel. Kassenttenmöbel der Samlung Grothe, Dettelbach 2005.
  • Himmelheber, Georg: Kleine Möbel. Modell- Andachts- und Kassettenmöbel vom 13.-20. Jahrhundert, München 1979.
  • Holzhausen, Walter: Lackkunst in Europa, Braunschweig 1959.
  • Stalker, John ; Parker, George: A treatise of japaning and varnishing. London 1688. (in Auszügen einsehbar unter: https://collections.britishart.yale.edu/catalog/orbis:582427)

Hinweis

Das aktuelle Objekt des Monats kann ab dem ersten Tag des Monats eintrittsfrei in der Dauerausstellung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte besichtigt werden, für interessierte Besucher liegen vor Ort und auf der Homepage des Museums (dortmund.de/mkk) weiterführende Informationen bereit.

Zu Beginn eines jeden Monats werden Schätze aus der Sammlung des Museums als Objekt des Monats präsentiert und den Besuchern vorgestellt. Sie möchten gerne ein Exponat aus einem bestimmten Sammlungsbereich oder zu einem ausgewählten Thema sehen?

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