Borsigplatz

Innenstadt-Nord

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Jürgen Wassmuth

Der Borsigplatz

Haus

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Lutz Kampert

Der Name "Borsigplatz" stammt von August Julius Albert Borsig (1829-1878). Der Sohn des Berliner "Lokomotiv-Königs", des Industriellen August Borsig, gründet 1871 die Maschinenfabrik Deutschland (MFD) an der Borsigstraße. Das Unternehmen wird 1911 eine Tochter des Hoeschkonzern und 1995 geschlossen.

Alle Beiträge von Hubert Nagusch

Geschichtliche Informationen rund um den Borsigplatz

1775 - 1896

Die Zeit vor dem Borsigplatz

Von Wiesen und Allmeden bis zur Siedlungsgeschichte des Hoeschviertels

Von Wiesen und Allmenden

1775 verläuft vom Ostentor der Stadt der Feldweg "Oester Viehgasse", hinein in die sumpfigen Grasflächen nordöstlich der Stadt. Der Bodengrund ist hier wasserundurchlässig, staut die Nässe und eignet sich nicht zum Ackerbau.

Um 1800 wird in den sauren Wiesen um die Oestermärsch vorwiegend Weidewirtschaft betrieben. Auch die Dortmunder Ratsherren lassen hier ihr Vieh weiden, beaufsichtigt von Hirten. Die Straßennamen "Flur-" und "Hirtenstraße" erinnern an diese Zeit. Dort steht noch 1877 das Hirtenhaus des Schäfers Wibecke. Ein weiterer Erwerbszweig ist die Leinweberei. An der Bleichmärsch breiten die Weber ihre Leintücher aus, um diese in der Sonne zu bleichen.

1807 erlassen die französischen Besetzer Westfalens den "Code Napoléon". Das neue Gesetzeswerk hat weitreichende Folgen. Erstmalig werden im gesamten Westfalen die Maße und Gewichte vereinheitlicht, Standesrechte, Leibeigenschaft und Zunftzwang werden aufgehoben. Nachdem 1815 der französische Kaiser Napoléon endgültig vertrieben ist, können die deutschen Feudalherren das Rad der Geschichte zwar nicht mehr zurückdrehen, sie wollen sich aber die Preisgabe ihrer Rechte honorieren lassen.

Die Bauern müssen sich nachträglich freikaufen. So auch die "Oesterbauernschaft" im Nordosten der Stadt. Sie teilt ab 1842-1876 die "Allmende", den gemeinsam bewirtschafteten Wald "Oesterholz" auf, holzt ihn ab und verkauft die Stämme an die Eisenbahn. Zurück bleiben verödete Kahlschläge. Mit dem Erlös aus dem Holzverkauf erwerben die Bauern ihre Freiheit.

Die Initialzündung durch die Industrialisierung

Als 1870 Albert Hoesch aus Düren nach Dortmund kommt, um hier die Möglichkeiten zum Bau eines neuen Eisen- und Stahlwerkes zu erkunden, findet er auf den Öden im Nordosten billiges Bauland vor. Vater Leopold Hoesch (1820-1899), Sohn Albert Hoesch (1847-1898), Vetter Eberhard Hoesch (1790-1852), Vetter Wilhelm Hoesch (1817-1907), und Vetter Victor Hoesch (1824-1888) entscheiden sich für die Standortgunst des Ruhrgebiets: Das Unternehmen siedelt sich "direkt auf der Kohle" an und ist durch die aufstrebende Eisenbahn günstig mit Roheisen zu versorgen. So wird am 01.09.1871 im Oesterholz das "Eisen- und Stahlwerk Hoesch" eröffnet. Das eigentliche Werk mit mehreren 8 t-Konvertern wird ab 1872 gebaut und hat zunächst 320 Arbeiter.

Die Siedlungsgeschichte des "Hoeschviertels" beginnt

Die Arbeiter müssen in der Nähe ihres Werkes wohnen. Albert Hoesch lässt zunächst 12 Werkshäuser entlang der Oesterholzstraße bauen, 1876 ist die Kolonie auf 60 Gebäude angewachsen. Damit hat die Bebauung des "Hoesch-Viertels" begonnen. 1890 kauft das Stahlwerk Hoesch an der Albertstraße 17,2 ha Fläche und 1896 nochmals 19,3 ha. Bis zum Jahre 1900 entstehen hier 134 Häuser mit ca. 500 Wohnungen.

1898/ 1899

Der "Stern des Nordens" entsteht

Die Entstehung des Borsigplatzes und das Vorbild dazu

Drei Pfade kreuzen an der Stelle des heutigen Borsigplatzes. Dies ist schon im sog. Brandhoff-Plan aus dem Jahre 1858 erkennbar. Doch eine genaue Überplanung entsteht erst 40 Jahre später, am 25.11.1898 mit dem Bebauungsplan "Flur 2". Jetzt wird erstmalig der runde Borsigplatz erkennbar und auch fast das gesamte Straßenfluchtsystem. Sechs Straßen führen auf den "Schmuckplatz" zu. Es sind die Wambeler Straße, die Brackeler Straße, die Oesterholzstraße auf der Nord und Südseite, die Oestermärsch und die Borsigstraße. Das Sitzungsprotokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 17.07.1899 erwähnt die Pflasterung des Borsigplatzes. In dieser Zeit werden auch Platanen auf dem Borsigplatz gepflanzt, von denen heute noch ein schöner alter Baum übrig geblieben ist. Eine kleine Grünanlage ist entstanden. Im Osten des Kreisels baut man die "Borsighalle", wohl eine Mischung aus Trinkhalle, Bedürfnisanstalt und überdachtem Sitzplatz.

Die Idee zum Rundplatz als städtebauliches Element ist im 19. Jahrhundert vom französischen Architekten Georges Haussmann (1809-1891) aufgenommen worden. In Paris hat er viele solcher Rundplätze entworfen und gestalten lassen. Sein Motiv ist weniger ein verkehrstechnisches denn ein militärisches: Bei Unruhen und Revolten kann man im Zentrum des Platzes eine Kanone oder eine Kompanie Soldaten aufstellen. Die braucht man nur gering verschwenken und kann in die nächste Straßenflucht hineinschießen.

Das historische Assauer Lichtspielhaus

1905 - 1929

Gebäude um den Borsigplatz

Das Türmchenhaus, der Hoesch-Komplex und das Assauer-Kino entstehen.

Türmchenhaus

1905/1906 baut der Spar- und Bauverein an der Nordseite des Platzes das "Haus mit Türmchen" Oesterholzstraße 51. Entworfen ist die Kopfbebauung zwischen Oesterholz- und Wambeler Straße von den Architekten Wermeckes & Aerger als Synthese von Historismus und Jugendstil. Das Erdgeschoss beherbergt bis in die 50er Jahre hinein das Tanz- und Festlokal "Concordia". Es ist ein kultureller und gesellschaftlicher Mittelpunkt am Borsiglatz. Das "Türmchen" auf dem Gebäude dient 1940 bis 1944 als Flakbeobachterposten, von 1960 bis 1990 als Sirenenstandort. 2003 ist eine Fassaden-Renovierung abgeschlossen worden.

Hoesch-Komplex

Zwischen 1913 und 1923 lassen die Eisen- und Stahlwerke Hoesch zwischen den Einmündungen Borsig- und Oesterholzstraße die Gebäude Borsigplatz 7 und 9 entstehen. Das Ensemble ist expressionistisch geprägt und entfaltet große raumwirkende Kraft. Hier zieht auch die Polizeiwache Borsigplatz ein, die dort bis ca. 1980 ihren Standort hat.

Assauer-Kino

Zwischen den Einmündungen Oestermärsch und Borsigstraße kauft H. Assauer 1928 ein Schrebergartengelände. Der Kinobetreiber, der bereits mit 2 Kinos gutes Geld in der Stadt verdient, baut 1929 das Assauer-Lichtspielhaus. Der sachlich funktionale Baustil des Filmpalasts prägt den Gesamteindruck des Borsigplatzes nachhaltig. Im II. Weltkrieg wird das Gebäude schwer beschädigt. Am 06.08.1948 feiert das Assauer-Kino nach Reparaturen die Wiedereröffnung mit 992 Plätzen. Als erster Film wird "Schlüssel zum Himmel" mit Gregory Peck aufgeführt. Ende der 60er Jahre schließt das Kino, Nachfolgenutzung ist ein Lebensmittelmarkt der "Konsumgenossenschaft Dortmund Kassel eG" (Coop) und seit 1998 ein "Edeka-Aktiv-Markt". Die benachbarte Gastwirtschaft "Sportlerklause" betreibt der legendäre Torjäger und erste Nationalspieler des BVB August Lenz, von 1955–1988. Nach einem Intermezzo als "Fan-House" findet sich heute dort eine Szene-Gastronomie. Übrigens, der ehemalige BVB-Spieler und heutige SV Schalke 04-Manager Rudi Assauer gehört zur Familie der Kinoeigentümer.

Borsigplatz 1955: Blick in die Oesterholzstraße,

1895 - 2005

Der Borsigplatz in der Geschichte

Was man am Borsigplatz erleben konnte

1895 wohnen 6.420 Menschen im sog. "Hoeschviertel", 1900 steigt die Einwohnerzahl auf 13.207 und 1910 auf 25.717. 1891 wird der Borsigplatz und das Stahlwerk Hoesch über eine Dampf-Straßenbahn, betrieben von der Berliner "Allgemeinen Lokal- und Straßenbahngesellschaft", mit der Dortmunder Innenstadt verbunden. 1897 erfolgt die Elektrifizierung der Linie 4 vom Oesterholz bis zur Reinoldikirche. Im Jahre 1900 kommt ein Abzweig zum Steinplatz über die Rolandstraße dazu. Die Straßenbahnstrecke führt zunächst westlich um den Borsigplatz herum; erst seit 1925 schneidet sie das Platzzentrum an.

Im Februar 1905 wird ein Bergarbeiterstreik, der am Borsigplatz zu einer Demonstration führt, von Gendarmen unter Schusswaffeneinsatz auseinander getrieben. In der Zeit der Ruhrbesetzung durch die Franzosen 1923-1924 wird der Borsigplatz zur Hochburg des Widerstands. Auch die Nationalsozialisten können am Borsigplatz nicht so recht Fuß fassen, Ein Drittel der Wohnbevölkerung wählt von je her die SPD, ein weiteres die KPD. Es gibt allerdings einige NS-Protagonisten, wie den Kurzwaren-Händler Röpcke am Borsiglatz oder der Fuhrunternehmer Hemsoth, welcher in der Dürener Straße Pferdewagen mit Gulaschkanonen unterstellt, die auf den "Reichsparteitagen" in Nürnberg zur Verköstigung der "Volksgenossen" eingesetzt werden. Die kath. Albertus-Magnus-Kirche in der Enscheder Straße wird am 23. Mai 1943 Opfer eines Bombenangriffes; in den Ruinen quartieren die Nazis russische Kriegsgefangene ein.

Die Bombardierung der rüstungswichtigen Hoeschwerke im II. Weltkrieg führt auch zu schwersten Zerstörungen im Wohnviertel Borsigplatz. Die Wiederaufbauphase in den 50er Jahren sieht auch die Neupflanzung zweier Platanenringe inmitten des Borsigplatzes. Sie erhalten ihr charakteristisches Aussehen durch den regelmäßigen "Kastenschnitt". Der Autoverkehr ist noch nicht so stark, und so kann sich gegenüber dem Assauer-Kino auf dem Platz eine schwarz-gelbe Würstchenbude ansiedeln – für fast drei Jahrzehnte ein Markenzeichen des Borsigplatzes.

Überhaupt ist der Borsigplatz immer dann im Blickpunkt der Öffentlichkeit, wenn der in der nahen Oesterholzstraße 60 in der Gaststätte "Zum Wildschütz" am 19.12.1909 gegründete Ballspielverein Borussia Dortmund 09 (BVB) anlässlich einer Meisterschaftsfeier im Triumph durch die Stadt zieht. Dann führt der Zug obligatorisch zum Borsigplatz, wo mehrere Platzrunden gedreht werden.

In den 60er Jahren hält der bargeldlose Zahlungsverkehr auch bei den Lohnbüros der Montanindustrie Einzug. Am Borsigplatz siedeln sich zur "Stadtsparkasse" Filialen der "Deutschen Bank", der "Commerzbank" und der "Bank für Gemeinwirtschaft" an.

Ab 1969 werden erste Absichten der städt. Verkehrsplaner bekannt, den zunehmenden Autoverkehr durch die Umgestaltung des Borsigplatzes zu einer großen Kreuzung zu bewältigen. Die sog. OW IIIa (Ost-West) soll von der Brackeler Straße im Westen über den Borsigplatz in die Borsigstraße führen – wenn nötig in Form einer Hochstraße. Die drohende "Hafenschnellstraße", für die auch noch einige Häuser abgebrochen werden sollen, wird 1979 durch den energischen Einspruch der Bezirksvertretung verhindert.

Im Gegenteil: Ihrem Antrag, den historischen Platz und seine Umbauung unter Denkmalschutz zu stellen, wird am 27.11.1984 entsprochen. Ende der 80er Jahre gelingt es, durch eine Beampelung den Verkehrsfluss über den Platz zu kontingentieren. In den 90er Jahren werden Pflaster, Verkehrsinseln und Baumscheiben neu gestaltet.

Am 24.11.04 wird der Borsigplatz zum "größten Adventskranz der Welt". Der örtliche Gewerbeverein hat mit Unterstützung des Landes NRW in dem 72 m messenden Kreisverkehr vier 8,5m hohe von innen beleuchtete Kerzen aufstellen lassen. Sie bieten zusammen mit der ringförmig gepflanzten Platanen das Bild eines beleuchteten Kranzes.

Auf der Brackeler Straße, die in den Borsigplatz mündet, wird am 02.04.05 der zulässige Höchstwert für Feinstäube zum 35. Mal überschritten. Dort fahren täglich mehr als 30.000 Fahrzeuge, davon ca. 5 % größere LKW. Im Januar 2005 trat eine neue EU-Richtlinie für Luftqualität in Kraft und setzt neue Grenzwerte für Stickoxide (NO²) und Feinstäube (PM10, 50 Mikrogramm/m³ Luft) fest, welcher nicht häufiger als 35 Tage im Jahr überschritten werden darf. Drei Tage später beschließt der Veraltungsvorstand ein Fahrverbot für LKW über 7,5 to. Und die sofortige Schaltung einer Pförtnerampel.