Microwind-Anlage auf dem Dach des Stadthauses

Masterplan Energiewende

Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Stadt Dortmund

Energiewendekongress - Herausforderungen und Chancen

Unter dem Motto „global – regional – lokal“ fand am 13. Februar 2013 der erste Dortmunder Energiewendekongress im Rahmen des Prozesses zum Masterplan Energiewende statt.

Bürgerhalle gefüllt mit Menschen

Interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Bürgerhalle des Dortmunder Rathauses.
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Fachbereich Marketing + Kommunikation / Stefanie Kleemann

Über 200 Interessierte fanden sich im Rathaus ein, um mit einem Kreis aus hochrangigen Expertinnen und Experten über das Thema und dessen Schwerpunkte Fachkräftesicherung, Energie, Ressourceneffizienz, Mobilität und Klimaschutz/Klimafolgeanpassung zu diskutieren. Initiatorin und Organisatorin Michaela Bonan, Ombudsfrau für Bürgerinitiativen sowie Konsultationskreis Energieeffizienz und Klimaschutz, konnte als Redner gewinnen: NRW-Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky, Dr. Frank Brinkmann als Vorsitzender der DEW21-Geschäftsführung, Umweltpsychologin Dr. Anke Blöbaum, Naturwissenschaftler, Politiker und Autor Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker und dem RWE-Vorstandsvorsitzenden Dr. Arndt Neuhaus. Journalistin Petra Schrader moderierte die rundum erfolgreiche Veranstaltung, die so manche Kontroverse anstieß, aber auch viele gemeinsame Ziele zwischen etwa Energieversorgern und radikalen Energie-Denkern wie Prof. von Weizsäcker eröffnete.

Bilderstrecke: Energiewendekongress 2013

Günther Horzetzky (links) und Ernst Ulrich von Weizsäcker (rechts) vor Elektroauto 15 Bilder
Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky (links) und Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker (rechts) vor einem städtischen Elektroauto auf dem Friedensplatz.
Bild (Bildlizenz/Fotograf/Grafiker): Fachbereich Marketing + Kommunikation / Stefanie Kleemann

Dortmunder Masterplan

Zum Auftakt machte Oberbürgermeister Ullrich Sierau klar, welchen wichtigen Stellenwert das Thema hat: „Der erste Kongress hier in Dortmund setzt eine Marke für Klimaschutz und Energiewende.“ Und weiter: „Die Energiewende ist unausweichlich. Sie ist eine der größten Herausforderungen aber gleichzeitig auch eine der größten Chancen für die nächsten 50 Jahre für die globale Gemeinschaft.“ Verantwortung, die richtigen Weichen zu stellen, um Wohlstand, Versorgungssicherheit und Lebensstandard zu halten, trügen nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern „wir alle“, machte Sierau deutlich. Er rief dazu auf, gemeinsam den Masterplan zu entwickeln. „Dabei ist die Energiewende nicht nur ein Umweltprojekt, sondern auch eine wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Herausforderung“, so der Oberbürgermeister. Heute beschäftigt der Energiesektor 30.000 Menschen, weitere 10.000 Arbeitsplätze sollen in der nächsten Dekade dazukommen. Das Thema solle in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden, um mit einer gesamtstädtischen Strategie den Herausforderungen der Energiewende zu begegnen.

Der partizipative Prozess soll die über 200 Akteure an einen Tisch bringen: "Wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen aus Wirtschaft und Handwerk sollen zusammengeführt und für politische Entscheidungsprozesse nutzbar gemacht werden, um größtmögliche Reduktionspotenziale im Bereich Energieeffizienz, Mobilität und Energie zu erschließen." Sierau ist sich sicher: "In der Zukunft wird es für Kommunen ein Standortvorteil sein, wenn sie sich auf mehr Energieeffizienz und weniger Energieverbrauch ausrichten. Auch daraus werden wir gemeinsam etwas für unsere Stadt machen."

Regenerativ hat Vorrang

Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky aus dem NRW-Ministerium Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk machte den Anfang der vormittäglichen Reden. Er versicherte, dass die Energiewende Priorität bei der NRW-Landesregierung habe und als langfristiges Projekt angelegt sei. Das Land NRW als Energielieferant für ganz Deutschland gäbe die Versorgungssicherheit, die die bundesdeutsche Energiewende überhaupt erst möglich mache: „Nordrhein-Westfalen steht zu seiner Verantwortung“, so der Staatsekretär.

„Im Vordergrund steht die Tragfähigkeit der Energiewende, so dass alle mit der Wende gehen können“, stellte Dr. Horzetzky heraus und mahnte: „Die Politik muss im Auge behalten, dass eine Entlastung der einen, eine Belastung der anderen darstellt. Das Stichwort ist hier: Energiearmut.“ In seinem Resümee zählte er die anstehenden Aufgaben auf: „Erneuerbare Energien müssen stärker verzahnt werden, den Produzenten erneuerbarer Energien muss mehr Verantwortung übertragen werden und die Regierung muss in einer Bund-Länderkoordination einen Masterplan entwickeln.“

Regionalität verbindet

Wie sich die Energiewende bei dem lokalen Energieversorger DEW21 darstellt, referierte im Anschluss Dr. Frank Brinkmann. Er begrüßte das Vorhaben der Kommune, die Energiewende auf lokaler Ebene anzunehmen. Eine Meinung, mit der Dr. Brinkmann nicht alleine stand. Auch Prof. von Weizsäcker begrüßte das Dortmunder Engagement, wie er am Rande der Veranstaltung wissen ließ: „Der Kongress hat ein tolles Timing: Alle reden über Energie. In Dortmund sind einige wirklich gute Leute an dem Thema, angefangen von Oberbürgermeister Ullrich Sierau.“

Dr. Brinkmann stellte heraus, dass die Energiewende vor Ort stattfände und somit die Kommunalversorger durch ihre regionale Verbundenheit und ihre maßgebliche Rolle bei der Versorgung der Haushalte die wichtigsten Partner in diesem Prozess seien. DEW21, als Versorger von Dortmund und Umgebung, sei in vielfältiger Weise im Bereich der Energiewende und -effizienz sowie im Klimaschutz engagiert: „Wir haben uns verhältnismäßig früh auf die Wende eingestellt durch die Investitionen in eigene regenerative Erzeugnisse – Windenergie, Deponiegas, Wasserkraft und Photovoltaik –, Contracting, Energiebratung privater Haushalte und Bürgerbeteiligungen.“ Beim Contracting gibt es drei Modelle. DEW21 entwickelt dabei mit den Kunden zusammen das passende Modell für eine Wärmeerzeugungsanlage.

Dass die deutsche Energiewende entscheidend für die Weltklimaverbesserung sei, sah Dr. Brinkmann kritisch. Jedoch „die Energiewende kann eine Blaupause sein für die Umstellung auf regenerative Energien in einem Industrieland. Dafür muss die Energiewende den Nachweis der Bezahlbarkeit, der Sozialverträglichkeit und der Stabilität erbringen.“ Der Geschäftsführer untermauerte die Appelle von Oberbürgermeister Sierau sowie Staatssekretär Dr. Horzetzky, niemanden mit der Energiewende abzuhängen: „Die reine Verbraucherfinanzierung der Energiewende ist nicht glücklich. Es müssen andere Wege der Lastenverteilung bei der Finanzierung gefunden werden“, um eine Entlastung der Kunden zu schaffen und so die Akzeptanz der Energiewende zu wahren.

Bewusstsein "Umwelt"

Wie nun genau klimaschonendes Verhalten kommuniziert und umweltbewusstes Verhalten gefördert werden kann, beleuchtete Dr. Anke Blöbaum. Sie stellte zunächst ein Rahmenmodell vor: Im ersten Schritt steht die Aufmerksamkeit für das Thema, es herrscht ein Problembewusstsein. Moralische oder soziale Aspekte fördern im nächsten Schritt die Motivation. Es folgt die antizipatorische Evaluation, es wird also eine Kosten-Nutzen-Abwägung des eigenen Verhaltens gezogen. All diese Schritte führen zu dem Ergebnis sich entweder umweltbewusst zu verhalten oder dieses abzuwehren.

Bei einem negativen Ergebnis gibt es in der Kette von Schritten vielfältige Möglichkeiten, dieses zu verändern, z. B. gewünschtes Verhalten zu belohnen, Handlungswissen durch etwa Broschüren zu vermitteln, Slogans zu verbreiten („Stoßlüften bitte“), Rückmeldungen zum individuellen Energiesparen zu geben oder durch Personen mit Vorbildfunktion um umweltschonendes Verhalten zu werben. Dr. Blöbaum schloss ihren Vortrag mit dem Hinweis ab, dass: „Normen und Werte wichtig in der Kommunikation und Voraussetzung für eine Verhaltensänderung sind.“

Teurer, statt billig, billig, billig

Mit einer provokanten Forderung stieg Prof. von Weizsäcker in seinen sehr Vortrag ein, der einen Auszug seines jüngsten Buches „Faktor 5“ beinhaltete. Im Gegensatz zu seinen Vorrednern plädierte er für die Verteuerung von Energie: „Alle denken, Energie muss billiger werden. Nein, sie muss langsam teurer werden. Das soll aber so langsam gehen, wie die Effizienz ansteigt, so dass man monatlich nicht mehr auszugeben hat.“ Seine Begründung: „Der gegenwärtige Energieverbrauch ist absolut nicht nachhaltig.“ Seiner Meinung nach ist das Problem schrumpfender fossiler Ressourcen nicht allein durch erneuerbarer Energie zu lösen, da z. B. Speichermöglichkeiten fehlten und andere Umweltprobleme nach sich zögen wie z. B. wachsende Mais- und Palmölplantagen.

Prof. von Weizsäcker plädierte vielmehr für einen wirkungsvolleren Umgang mit Energie. Das wiederum hieße, dass die Energiewende einer technischen Revolution gleichkäme. Prof. von Weizsäcker trat u. a. ein für energieeffizientere Autos, Passivhäuser mit einer Wärmedämmung, die Heizungen unnötig machen, LED-Leuchten, die Glühbirnen flächendeckend ablösen. Ebenso geriet in seinen Fokus die Reduzierung von Rindfleischkonsum zugunsten jahreszeitlicher Ernährung, die Optimierung von Stadt- und Verkehrsstrukturen sowie Wasser mehrfach zu nutzen. Sein Vorschlag für Europa und Asien: „Energie- und Rohstoffpreise parallel zu den Effizienzgewinnen anheben, so dass die monatlichen Kosten für Energie im Durchschnitt konstant bleiben können.“ Mit dem Ruf, im Fall eines entschlossenen Vertretens der Fortschrittsrichtung von Europa mit Ostasien seien sie Pioniere mit entsprechenden Gewinnen.

Intelligente Systeme fördern

Den letzten Redebeitrag vor der Podiumsdiskussion steuerte Dr. Arndt Neuhaus bei. Wie sein Vorredner Prof. von Weizsäcker sei für ihn die Energiewende gleichbedeutend mit einer technischen Umwälzung, die den Umbau des gesamten Energiesektors erfordere. Heutiges Wissen und Innovationen müssten zusammengezogen und weiterentwickelt werden: „Das heißt auch und vor allem neue Chancen nutzen.“ Dr. Neuhaus rückte die Ansicht gerade, kurz vor der Energiewende zu stehen: „Wir sind schon mitten drin. Kurzfristiger Aktionismus hilft nicht weiter, denn die Energiewende ist ein Generationenprojekt.“ Solar- und Windenergie sind tageszeit- und wetterabhängig. Hier sei die Frage zu stellen, wie mit der Energie umzugehen sei, sobald sie zur Verfügung stünde, d. h. es müssten Lösungen für Speicherungen gefunden werden. Ferner setzte er sich ein für den Einsatz innovativer Netztechnologien, die den Netzausbau reduzieren könnten. Der RWE-Vertreter machte deutlich, dass er hier die Möglichkeit sähe, durch flexible Kraftwerke einen kurzfristigen Ausgleich fluktuierender Einspeisungen zu schaffen.

Gleichzeitig forderte er intelligente Systeme vor Ort zu verknüpfen, um auf individuelle Bedürfnisse der Verbraucher einzugehen, was allerdings auch deren Einsatz fordere, etwa in dem sich Grundstücksbesitzer mit Nachbarn zusammen tun, um energiesparende Anlagen gemeinsam zu nutzen. Dr. Neuhaus plädierte dafür – und damit ging er konform der Ausführungen von Dr. Blöbaum, den Kunden nicht das Gefühl zu vermitteln, er müsse sich als Energiewirtschafter aufstellen, sondern den Spaß am Energiesparen in den Vordergrund zu stellen.

Gemeinsames Handeln notwendig

Zu Beginn der Podiumsdiskussion fragte Moderatorin Petra Schrader die Runde – nun verstärkt mit dem Dortmunder Umweltdezernenten Martin Lürwer – "Was tun wir lokal für die Energiewende und gegen den Klimawandel?" Lüwer: "Die Kommune ist Gestalter, Planer und Vorbild für die Energieverbraucher. Der Schlüssel zum Erfolg für eine Wende ist sicher weniger Energie zu verbrauchen und diese effizient zu nutzen. Für alle Bürger steht außerdem ein kommunales Solarkataster zur Verfügung, in das alle Interessierten einsehen können, ob ihr Haus für eine Photovoltaikanlage geeignet ist.“ Wer sich umfassender informieren möchte, dem stünde außerdem das Dienstleistungszentrum Energie mit kompetenten Mitarbeitern mit ihrer unabhängigen Beratung in der Berswordthalle zur Seite.

Auf die sensible Frage, ob Energie tatsächlich teurer werden solle, ging als erstes Dr. Brinkmann ein: „Die These von Prof. von Weizsäcker ist global gesehen richtig, wenn ich an die USA und in Teilen an Deutschland denke .Jedoch müssten Kosten überall angehoben werden, um das Gleichgewicht der Konkurrenz der Industrie in allen Ländern zu halten.“ Prof. von Weizsäcker verwies noch einmal auf den ihm wichtigen Sachverhalt: „Mit der richtigen Geschäftsidee müssen intelligente Technologien geschaffen werden, um Energie z. B. zu transportieren und zu speichern.“ Aus der Sicht der privaten Haushalte antworte Dr. Blöbaum: „Eine gute Vermittlung der Energiewende ist dringend nötig. Die Bürgerschaft muss sehr viel früher miteinbezogen werden, etwa in die Entwicklung neuer Technologien.“ Auch Dr. Neuhaus verwies auf die Dringlichkeit, die Position der Endverbraucher einzunehmen: „Bei allen Produkten zur Energiewende müssen wir aus den Augen der Verbraucher schauen und ihnen das Vergnügen an der Energiewende zu vermitteln.“

Ob Investitionen in die Energiewende für die Verbraucher überhaupt sinnvoll sind, antwortete Prof. von Weizsäcker ganz klar: „Ja! Investitionen z. B. in die Sanierung von Eigenheimen, amortisieren sich etwa in 20 Jahren.“ Auf das Problem dieser langen Zeitspanne reagierte Dr. Blöbaum: „Eigentlich will der Mensch schnell sehen können, in was er investiert. Dass aber eine solche langfristige Investition nachhaltig ist, kann Verbrauchern über seriösen Quellen gut vermittelt werden.“ Mit dem Ende der lebhaften Diskussion ging der erste Teil der Veranstaltung in die Pause.

Foren und Ausblicke

Den zweiten Teil der Veranstaltung bildeten die beiden Foren mit verschiedenen Referenten: In Forum 1 berichtete Thomas Schulz, Vorstandsmitglied der Entelios AG, über die Lösung seines Unternehmens durch "Demand Response" als intelligente Netzwerksteuerung Verbrauchern Strom von erneuerbare Energien dann zu liefern, wenn er benötigt wird. Im zweiten Vortrag legte Klaus Geschwinder, Teamleiter Verkehrsentwicklung und Verkehrsmanagement Hannover, aus kommunaler Sicht die Entwicklung klimaschonenden Verkehrs mit gleichzeitiger Mobilität dar.

In Forum 2 kam Prof. Dr. Dietwald Gruehn, Technische Universität Dortmund, auf die Bedeutsamkeit von Klimaschutz zu sprechen und erklärte die Möglichkeiten, den globalen Klimaschutz herunterzubrechen auf die lokalen Handlungsmöglichkeiten. Im Anschluss daran setzte sich Prof. Dr. Peter Heck, Institut für angewandtes Stoffstrommanagement, wie die Redner am Vormittag für neue technische Maßnahmen ein sowie ein lokales und regionales Engagement, um eine nachhaltige Wirkung bei Ressourcen und Klimaschutz zu erzielen.

Forum 1

Referenten:
Thomas Schulz zum Thema Energie
Klaus Geschwinder zum Thema Referat Mobilität

Forum 2

Referenten:
Prof. Dr. Dietwald Gruehn zum Thema "Klimaschutz und Klimaanpassung: Notwendigkeiten – Herausforderungen ..."
Prof. Dr. Peter Heck zum Thema "Ressourceneffizienz"

Das Schlusswort der Veranstaltung hatte Oberbürgermeister Sierau, das Moderatorin Petra Schrader stellvertretend vortrug. Darin versicherte Sierau, die Kongress-Ergebnisse würden in den Masterplan einfließen: „Der folgende Prozess wird im Internet dokumentiert, der Fokus liegt weiterhin auf den Beteiligungen.“ Er hoffe, dass sich andere Kommunen mit Dortmund als Impulsgeber auf den Weg machten, um so eine Modellregion für die Energiewende zu werden. Der Dortmunder Masterplan soll im ersten Quartal 2014 erscheinen.

Gaye Suse Kromer

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