Das Fritz-Hüser-Institut vergibt Stipendien an Kathrin Bach und Clara Leinemann
Die Arbeitsstipendien des Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt gehen an die Berliner Autorinnen Kathrin Bach und Clara Leinemann. Ihre Themen reichen von Wertesystemen über Waffenhandel und Care-Arbeit bis hin zu Steuerberatern.
Die Autorinnen überzeugten die Jury durch Erzählstil, Themen und Plot. Über 90 deutschsprachige Autor*innen hatten ihr Exposé und Arbeitsproben eingereicht. Dotiert sind die Arbeitsstipendien mit jeweils 4000 Euro.
Steuerberater und Care-Arbeit
Kathrin Bachs Text „Am Beispiel meines Onkels“ (Arbeitstitel) begeisterte die Jury, weil er mühelos, sprachlich luzide und auch ergreifend ein breites Spektrum von Aspekten rund um die Themen Arbeit, Prägung und Leben auffaltet. Der Text erzählt vom kleinwüchsigen Onkel, der bereits jung zum erfolgreichsten Mann des Dorfes wird – ungeachtet seiner Behinderung – und die Idee des kapitalistischen und patriarchal geprägten Wertesystem der Bundesrepublik vermittelt. Von der Erzählerin, die ein prekäres Leben als Freischaffende führt – und sich nicht an die Ratschläge des Onkels hält. Von der Arbeit von Steuerberatern, von Körperbildern und Care-Arbeit und den Prägungen, die man sich erst bewusst machen muss.
Weltmoral versus Arbeitsmoral?
Clara Leinemanns Text „~perfection~“ zieht mit einem überschaubaren Personal und lebensnahen Dialogen sofort hinein in verschiedene Biografien, Themen der Geopolitik und Coming-of-Age. Die Entwicklung des globalen Waffenmarktes und des Lebens der CEO eines Waffenunternehmens wird in Verbindung gebracht mit der Radikalisierung einer Teenagerin, deren Vater in der Waffenfabrik beschäftigt ist. Die Frage, wer wir werden wollen und wer wir geworden sind, spielen eine zentrale Rolle für uns alle, ebenso wie die Frage, warum eigentlich (bei den meisten) erst die Arbeit kommt und dann die Moral.
Hintergrund Katrin Bach
Kathrin Bach wurde 1988 in Wiesbaden geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften und Literarisches Schreiben in Hildesheim und ist ausgebildete Buchhändlerin. Mit ihrer Lyrik wurde sie zum 22. open mike eingeladen und erhielt den zweiten Preis beim Lyrikpreis München 2014 . 2017 erschien ihr Lyrikdebüt „Schwämme “ in der parasitenpresse. Für die Arbeit an ihrem Romanprojekt „Lebensversicherung“ erhielt sie u.a. 2022 das Residenzstipendium für Literatur im Künstlerhaus Lauenburg. Sie lebt als freie Autorin und Lektorin in Berlin, wo sie auch regelmäßig Collagen klebt (#kathcut_collagen), Lesungen moderiert und Schreibworkshops (u.a. für The Poetry Project und Die gute Website) hält. Im März 2024 erschien ihr zweiter Lyrikband, „Gips “ , wieder in der parasitenpresse, ebenso das poetisch-poetologische Journal „Sonntagssplitter “ bei etceterapress berlin.
Hintergrund Clara Leinemann
Clara Leinemann, geb. 1994 in Köln, studierte Kreatives Schreiben in Hildesheim. Sie wurde zum 4+1 Festival für junge Dramatiker*innen eingeladen und für den Berliner Kindertheaterpreis 2021 nominiert. Für ihr Theaterstück „Buddeln “ erhielt sie 2024 den Förderpreis des Kinder- und Jugendtheaterpreises Baden-Württemberg sowie den niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatiker*innenpreis. Ihre Prosatexte wurden in verschiedenen Literaturzeitschriften veröffentlicht. Sie war 2023 Stipendiatin der Heimann-Stiftung sowie bei der Autor*innenwerkstatt Prosa am Literarischen Colloquium Berlin.
FHI will Gegenwartsliteratur fördern
Mit der Förderung zeitgenössischer Autor*innen, der Auseinandersetzung der Gegenwartsliteratur mit Phänomenen der Arbeitswelt knüpft das Fritz-Hüser-Institut direkt an die Aktivitäten des Namensgebers an: Fritz Hüser war nicht nur Bibliothekar, sondern auch maßgeblicher Förderer vieler Schriftsteller*innen.
Mit den beiden Stipendiatinnen wird es eine Veranstaltung geben, sobald die geförderten Texte veröffentlicht sind. Auch im kommenden Jahr wird das Fritz-Hüser-Institut zwei Arbeitsstipendien ausschreiben.
Jury und Kriterien
Zentrale Kriterien für die Vergabe der Stipendien waren die literarische Qualität sowie eine innovative Auseinandersetzung mit Phänomenen der Arbeitswelt. Das meint nicht nur klassische Erwerbsarbeit, sondern schließt etwa auch Bereiche prekärer oder unentlohnter Arbeit ein. Die diesjährige Jury bestand aus Bettina Fischer (Literaturvermittlerin, Literaturhaus Köln), Martin Piekar (Lyriker, Schriftsteller) und Nikola Richter (Autorin, Verlegerin, mikrotext).