Glanz und Gloria? Das Brauerei-Museum zeigt Relikte der Dortmunder Brauereien um 1900
Ab 1900 zählte Dortmund zu den größten deutschen Brauereistädten, wie prachtvolle Bierkrüge und eindrucksvolle Fotografien zeigen. Doch war alles „Glanz und Gloria?“ Die gleichnamige Ausstellung zeigt auch Schattenseiten – vom 4. Juli bis 11. Januar 2026 im Brauerei-Museum.
Ein Vertrag mit vielen Unterschriften besiegelt die neue „Flaschenaustauschstelle“ 1912 in Dortmund, daneben in der Glasvitrine ein Bild des Chaos: verschiedenste Flaschen, große und kleine mit unterschiedlicher Gestaltung. Beides zeugt von der glorreichen Zeit des Bierbrauens, der neuen Technologie, die die Flaschenabfüllung möglich machte.
Die Dokumente stammen aus dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv, die Flaschen aus dem Brauerei-Museum. Es ist das Ergebnis einer „wunderbaren Zusammenarbeit, inhaltlich und menschlich“, betont Dr. Nancy Bodden vom Westfälischen Wirtschaftsarchiv. Durch diese Zusammenarbeit werden die vielschichtigen Anfänge des Brau-Booms in Dortmund erst deutlich. „Wir zeigen so die Erfolge, aber auch einige Schattenseiten, die vielleicht nicht so gerne erinnert werden“, sagt Svenja Lehnhardt vom Brauerei-Museum. Zum Beispiel die Rohstoffbegrenzung nach dem Ersten Weltkrieg, der einige kleinen Brauereien zum Opfer fielen. „Ihnen wurde regelgerecht der Hahn zugedreht“, so Dr. Nancy Bodden.
Relikte einer glorreichen Zeit
Die Ausstellung „Glanz und Gloria? Die Dortmunder Brauereien um 1900“ wirft einen Blick auf Relikte aus glorreichen Zeiten. Ab 1900 zählte Dortmund zu den größten deutschen Brauereistädten mit rund 30 Braustätten auf dem damaligen Stadtgebiet. Aufwändig gestaltete Bierkrüge, elegante Geschäftspapiere und eindrucksvolle, zum Teil akribisch inszenierte Werksfotografien zeugen vom Selbstbewusstsein der Branche. Gezeigt werden in der Ausstellung aber auch die weniger glanzvollen Seiten: die Arbeitsbedingungen der Brauereiarbeiter, Rohstoffknappheit und die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf den Betrieb.
Hintergrund: Vom Glanz großer Brauereien und den Schattenseiten
Mit der ab den 1870er-Jahren einsetzenden Modernisierung des Braugewerbes scheinen auch für die Dortmunder Brauer Zeiten von „Glanz und Gloria“ angebrochen zu sein. In dieser Phase des industriellen Aufschwungs wurden traditionelle Braustuben durch Groß- und Aktienbrauereien ersetzt. Einfache Brauer stiegen zu angesehenen Unternehmern der Stadtgesellschaft auf.
Voraussetzungen für den rasant steigenden Bierabsatz waren der technische Fortschritt im Brauprozess, die sich stetig verbessernde Verkehrsanbindung an die Eisenbahn und der Zuzug zahlreicher Arbeitskräfte ins Ruhrgebiet. Ab 1900 zählte Dortmund zu den größten deutschen Brauereistädten. Das gängige Bild der Brauwirtschaft im „prunkvollen“ Kaiserreich ist durch den Fokus auf Wachstum, Erfolg und Repräsentation allerdings einseitig gefärbt. Wie sah es hinter den Kulissen aus? Wie ging es den Brauereiarbeitern im Kaiserreich? Welche Auswirkungen hatte der 1914 beginnende Erste Weltkrieg mitsamt seinen drastischen Rohstoffkürzungen auf den Braubetrieb? Die Ausstellung gewährt einen Blick auf die glanzvollen Zeiten, aber auch auf die weniger beachteten oder ungern erinnerten Seiten der Dortmunder Brauwirtschaft.
Die besondere Situation in der Bier-Stadt Dortmund
Rund 30 Brauereien hat es um 1900 in Dortmund gegeben. Die Basis dafür schufen Innovationen und technische Neuheiten im 19. Jahrhundert: Das Streckennetz der Eisenbahn ermöglichte den schnelleren und weitreichenderen Transport des Lebensmittels als je zuvor. Dazu kam eine weitere Innovation: Die Erfindung der Kältemaschine durch Carl Linde ermöglichte es den Brauern ab den 1880er Jahren, künstliches Eis zu erzeugen und eine gleichmäßige Kühlung der Gär- und Lagerkeller zu gewährleisten. Zuvor waren die Brauereien von Natureis abhängig, das im Winter gewonnen oder aufwendig aus Norwegen importiert wurde.
Vom Brauer zum Unternehmer
In dieser Phase des industriellen Aufschwungs stiegen einfache Brauer zu angesehenen Unternehmern der Stadtgesellschaft auf, und traditionelle Braustuben wurden durch Groß- und Aktienbrauereien ersetzt: Durch die neue Rechtsform der Aktiengesellschaft konnten sich auch auswärtige Investoren an dem Boom der Branche beteiligen. So wurde beispielsweise die Ritterbrauerei im Jahr 1889 von einer britischen Holdinggesellschaft gegründet.
Neues Selbstbewusstsein der Brauerei-Branche
Ab 1900 zählte Dortmund zu den größten deutschen Brauereistädten. Diese Erfolge galt es selbstbewusst nach außen zu präsentieren: Werksfotografien wurden mal mehr, mal weniger stark inszeniert und vermittelten das Bild eines stolzen Brauereibetriebs und seiner ebenso selbstbewussten Belegschaft. Auch im Stadtbild suchten die Brauereien sich mit Prachtbauten zu verewigen: Sei es die Dortmunder Actien-Brauerei 1912/13 mit einem Kellerhochhaus im neuen, funktionalen Stil oder die Villa des Kronen-Besitzers Heinrich Wenker aus den 1890er Jahren mit angeschlossener Parkanlage, die zum Feiern und Flanieren einlud. Neben kolorierten Ansichtskarten waren Gläser und Krüge, die mit Emblemen der Brauereien bemalt oder bedruckt waren, wirkungsvolle Werbemittel.
Der Umbruch in der 20er Jahren
Das gängige Bild der Brauwirtschaft im „prunkvollen“ Kaiserreich ist durch den Fokus auf Wachstum, Erfolg und Repräsentation allerdings einseitig gefärbt. So gewährt die Ausstellung auch einen Blick auf die weniger beachteten oder ungern erinnerten Seiten der Brauwirtschaft. Dazu zählen die Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft oder die „schummrigen“ Seiten der damaligen Gaststätten- und Kneipenkultur. Der Erste Weltkrieg mit seinen drastischen Rohstoffkürzungen und die darauffolgenden Krisen führten schließlich zum Umbruch: Mitte der 1920er Jahre blieben anstelle der ehemals 30 nur noch acht Brauereien im Dortmunder Stadtgebiet übrig, was das endgültige Ende dieser vermeintlich glanzvollen Zeit markierte.
Begleitprogramm mit Führungen und Vorträgen
11. September 2025, 18 Uhr: Vortrag von Dr. Nancy Bodden (Westfälisches Wirtschaftsarchiv): „Kampf den Flaschenverlusten! Die Dortmunder Brauereien und der Ursprung des Flaschenpfandes“ im Brauerei-Museum
13. November 2025, 18 Uhr: Vortrag von Moritz Hülk (Westfälisches Wirtschaftsarchiv): „Arbeiter im Rausch. Kneipenkultur & Alkoholkonsum in Dortmund“ im Brauerei-Museum Dortmund
30. Oktober 2025, 18 Uhr: Führung „Die Schätze des Brauerei-Archivs im Westfälischen Wirtschaftsarchiv“ im Westfälischen Wirtschaftsarchiv, Märkische Straße 120, 44141 Dortmund. Um Anmeldung wird gebeten unter s.berta@dortmund.ihk.de
Allgemeine Infos
Die Ausstellung, die vom 4. Juli 2025 bis zum 11. Januar 2026 im Brauerei-Museum Dortmund gezeigt, wird ist eine Kooperation von Brauerei-Museum Dortmund und Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv (WWA). Das WWA ist die regionale Dokumentationsstelle für die Wirtschaft in Westfalen und Lippe und betreut Archivgut von Unternehmen, Kammern, Verbänden und Personen der Wirtschaft. Mit dem Dortmunder Brauereiarchiv verwahrt es die erhaltene schriftliche Überlieferung der Dortmunder Brauereien. In der Ausstellung werden einzigartige, bisher noch nie der breiten Öffentlichkeit präsentierte Dokumente aus dem Archiv zusammen mit Exponaten des Brauerei-Museums Dortmunds präsentiert. Der Eintritt ist frei.
Öffnungszeiten
Mi, Fr, So 10 - 17 Uhr, Do 10 - 20 Uhr, Sa 12 - 17 Uhr
Anhänge
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Blick in die Ausstellung "Glanz und Gloria?", 15 MB, JPEG Quelle: Stadt Dortmund / Sabrina Richmann -
"Glanz und Gloria?" zeigt die Brauereien um 1900 - die Ausstellungsmacher*innen vom Westfälisches Wirtschaftsarchiv und dem Brauerei-Museum., 4 MB, JPEG von links: Svenja Lehnhardt, Moritz Hülk, Dr. Nancy BoddenQuelle: Stadt Dortmund / Sabrina Richmann -
Glanz und Glorias?- Blick in die Ausstellung über Brauen um 1900., 14 MB, JPEG von links: Svenja Lehnhardt, Moritz Hülk, Dr. Nancy BoddenQuelle: Stadt Dortmund / Svenja Richmann