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Baukultur in der City

Manch ein Denkmal überrascht

Bierkultur trifft Baukultur an lauen Abenden an einer der kultigsten Trinkhallen der Stadt. Den Bergmann-Kiosk am Hohen Wall 36 halten viele für ein Denkmal – aber er ist keines. Noch nicht? Eine Prüfung steht demnächst an und seine Chancen stehen nicht schlecht. Andere Gebäude in der City wirken dafür eher nicht wie ein Denkmal – sind aber eines. Was macht ein Denkmal zum Denkmal?

Foto eines Kiosks in der Dämmerung, seitlich sind runde, farbige Glasbausteine zu erkennen, vor dem Kiosk sitzen Menschen an Bierzelttischen.
Bild: Benito Barajas
Den Bergmann-Kiosk am Hohen Wall halten viele für ein Denkmal – noch ist er aber keins.
Bild: Benito Barajas

Das Alter, die besondere Architektur, seine Geschichte? Kurze Antwort: all das. Wichtig ist, dass ein öffentliches Interesse besteht, das Gebäude als kulturelles Erbe zu bewahren – und das ist gesetzlich geregelt. Aber wie alt muss das Gebäude mindestens sein? Vielleicht gar nicht mal so alt …

Ein Rundgang mit denkwürdigen Überraschungen

Wir alle kennen tolle alte Baudenkmäler unserer Stadt, das Krügerhaus von 1912 mit der imposanten Passage am Westenhellweg, Kirchen wie die Marienkirche, deren Baugeschichte vor dem Jahr 1150 beginnt, denkmalgeschützte Wahrzeichen der Stadt wie die ehemalige Union-Brauerei von 1927.

Gehen wir vom U aus den Wall entlang, am Bergmann-Kiosk vorbei, laufen wir auf den Seiteneingang des ehemaligen Gebäudes der Bundesbank am Hiltropwall 16 zu. Das elegante Baudenkmal der Nachkriegsmoderne ist so traditionell-konservativ, wie es zu einem Bankgebäude passt.

Erbaut für die Landeszentralbank 1951 bis 53 nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis (1873–1955), steht es seit 2023 leer; die Bundesbank zog an die B1 nach Aplerbeck um, wo der bundesweit größte Geldspeicher entstand. Die Essener Projektentwicklungsgesellschaft Kölbl Group erwarb das Gebäude am Wall. Seit Februar steht fest: 2028 zieht die Buchhandelskette Thalia hier ein, die ihren Unternehmenssitz von Hagen nach Dortmund verlegt.

Foto eines mit Muschelkalkplatten verkleideten Gebäudes vor leicht bewölktem Himmel
Bild: Benito Barajas
Von der Bank zum Buch: Die ehemalige Bundesbank am Hiltropwall wird ab 2028 Sitz der Thalia-Unternehmenszentrale.
Bild: Benito Barajas

Kulturmeile am Hiltropwall

Als Bundesbank war das mit Muschelkalkplatten verkleidete Gebäude für die meisten hermetisch – wenige sahen es von innen. Das soll sich mit der neuen Mieterin ändern. Laut Monica Sawhney, der kaufmännischen Geschäftsführerin der Thalia Bücher GmbH, wird sich die neue Unternehmenszentrale der Stadtgesellschaft öffnen – mit begrüntem Innenhof und einer Veranstaltungsfläche für bis zu 200 Gäste.

Ein neuer Kulturort in Dortmund, schräg gegenüber von Schauspiel und Opernhaus. Heike Marzen, Chefin der Dortmunder Wirtschaftsförderung, spricht von einem "Stück Kulturmeile" am Wall. Thalia will am neuen Standort mit seiner guten Infrastruktur weiter wachsen, ohnehin haben viele der derzeit rund 500 Mitarbeitenden ihren Wohnsitz in Dortmund. Für einige von ihnen dürfte der ehemalige Tresorraum des Bankgebäudes interessant sein, denn er wird zum Fahrradkeller – supersave.

Überhaupt – der Umbau. Eine besondere Herausforderung in denkmalgeschütztem Baubestand. Unter Denkmalschutz stehen das Äußere und Innere des Gebäudes, seine Einfriedungsmauern, Treppen und Außenleuchten. Für den Einzug von Thalia soll das Gebäude einen Anbau zur Poststraße hin erhalten, die Architektur entwickelt die Hamburger BAID Architektur GmbH entsprechend aktuellen energetischen und nachhaltigen Standards. Die Erschließung über einen Haupteingang und zwei Nebeneingänge bleibt erhalten, die Eingangshalle wird wieder so großzügig werden wie ursprünglich.

Am Eingang des Gebäudes wacht Fortuna. Auch die vergoldete Bronzeskulptur des Bildhauers Gerhard Marcks ist denkmalgeschützt. Strahlend und schlicht auf einem schlanken Marmorsockel schaut sie in die Weite. Bestimmt ist es ein gutes Omen, dass mit der neuen Mieterin eine weitere Schutzgöttin ins Gebäude einzieht. Denn Thalia, Name der 1919 in Hamburg gegründeten Buchhandlung, ist die Muse der Theaterdichtung.

Foto einer alten Treppe
Bild: Benito Barajas
Bei der Sanierung wiedergefunden: die historische Treppe im Krügerhaus.
Bild: Benito Barajas

Die vergessene Treppe

Das prächtige Krügerhaus wurde 1912 von Hugo Steinbach (1873–1927) im Stil der Neorenaissance erbaut, gemeinsam mit der Krügerpassage. Das Zentrum der Passage bildet eine Rotunde, deren ursprüngliche Glaskuppel in den 1950er-Jahren durch ein Flachdach mit Glasbausteinen ersetzt wurde. Bis zum Mai 2024. Da wurde eine nach historischem Vorbild neu erbaute Glaskuppel wieder auf die Rotunde gesetzt. Bei Sanierungsarbeiten in den leerstehenden Büroräumen im Obergeschoss des Gebäudes fanden sich mysteriöse Öffnungen – und dahinter ein historisches Treppenhaus. Eine große Freude für Eigentümer und Denkmalpflege.

„Wir brauchten händeringend einen zweiten baulichen Rettungsweg fürs Obergeschoss. Und mit der wiedergefundenen Treppe hatten wir ihn!“, sagt Ralf Herbrich von der Unteren Denkmalbehörde. Der Bauherr spart das Geld für eine neue Außentreppe und die Denkmalpflege freut sich, hier eine historische Treppe aktivieren zu können.

Foto eines expressionistischen Gebäudes mit jüngeren baulichen Ergänzungen, im VOrdergrund Menschen in einer Fußgängerzone.
Bild: Benito Barajas
Ausdrucksstark: Gestaffelte Linien strukturieren die Fassade des alten Fernmeldeamts.
Bild: Benito Barajas

Das expressive Fernmeldeamt

Wer bei Expressionismus an Malerei des frühen 20. Jahrhunderts denkt, liegt richtig. Wie sieht Expressionismus als Baukunst aus? Vorm Gebäude des ehemaligen Fernmeldeamts am Westenhellweg 127 können Sie es sehen. Am besten, Sie schauen sich das sandsteinverkleidete Gebäude von einer Ecke am Westenhellweg aus an und gucken dann nach oben.

Die Ecke zwischen Hellweg und Wall ist turmartig vorgezogen und leicht überhöht. Zackig! Das Gebäude korrespondiert mit dem Union-Gebäude schräg gegenüber, einem weiteren ikonischen Bau der späten 20er-Jahre.

Foto einer Wendeltreppe mit weißer Betonumrandung im Inneren eines Gebäudes, der Blick aus dem Fenster zeigt eine Kirche.
Bild: Benito Barajas
Noch nicht sehr alt, aber sehr markant: Die geschwungene Treppe im Inneren ist nur eines der versteckten Highlights des Denkmals Kampstraße 45/47 aus den späten 1970er-Jahren.
Bild: Benito Barajas

Spacige 70er an der Kampstraße

Ungefähr eine Gebäudegeneration muss vergangen sein, also 25 bis 30 Jahre, bis ein Gebäude denkmalwürdig sein kann. Bauwerke aus den 1970er-Jahren sind also längst dabei. Vor allem, wenn sie so auffällig sind wie das Gebäude der ehemaligen WestLB und Dresdner Bank an der Kampstraße 45/47 (heute unter anderem Sitz des DOC-Ärztehauses und der VHS), erbaut von Architekt Harald Deilmann (1920–2008) von 1975 bis 77. Prägend sind die weißen umlaufenden Brüstungen mit gerundeten Ecken und die bronzefarben bedampften Scheiben. Das Gebäude ist terrassenartig angelegt – eine Bauskulptur. Große, stilisierte Lüftungskanäle ragen oben aus dem Baukörper und setzen vertikale Akzente. Der Bau atmet den experimentierfreudigen Geist der 70er-Jahre mit seinen klaren Linien und weichen Schwüngen.

Wer das Atrium des heutigen Gesundheitszentrums DOC an der Kampstraße 45 betritt, bleibt mit dem Blick an der fantastischen geschwungenen Betonwangentreppe hängen. Elegant wie eine Skulptur verbindet sie die Etagen und verführt geradezu zum Aufstieg, so scheinbar schwerelos schraubt sie sich in die Höhe. Der Gebäudeteil Kampstraße 47 beherbergt heute unter anderem VHS und Ordnungsamt. Im ersten Geschoss befindet sich die ehemalige Schalterhalle mit den spektakulär eingehängten Kanzeln der Besprechungsräume: Die verglasten Kapseln scheinen unter der Decke zu schweben, sind aber von einer Galerie im zweiten Stock aus zu erreichen. In diesem spacigen Setting fanden einst Finanzberatungen statt – ein denkmalwerter Ansatz von Transparenz.

Hier schließt sich die Antwort an die eingangs gestellte Frage an. Wann ist ein Denkmal ein Denkmal? Ralf Herbrich: „Denkmale sind nicht nur Zeugnisse ihrer Erbauungszeit, sondern auch unverwechselbare Orte, die einen wichtigen Teil unserer Identität ausmachen.“ Dortmund steckt voller überraschender Gebäude. Es lohnt sich, den Blick nach oben schweifen zu lassen. Denn es gibt viele interessante Fassaden und Details zu entdecken.

Tag des offenen Denkmals 2025

Der bundesweite Tag des offenen Denkmals bietet am 13. und 14. September 2025 wieder Gelegenheit, auch sonst unzugängliche Denkmalschätze unserer Stadt zu entdecken. Ein Organisationsteam im Auftrag der städtischen Unteren Denkmalbehörde koordiniert die Aktivitäten in Dortmund, das Programm ist ab August 2025 verfügbar. Zahlreiche Baudenkmäler im Dortmunder Stadtgebiet werden beteiligt sein, darunter auch das ehemalige Bundesbankgebäude am Hiltropwall – mit einer schönen Überraschung.

dortmund.de/denkmaltag

aufbruch city 1/2025

Dieser Text ist erschienen in der „aufbruch city“ 1 / 2025, 16 MB, PDF . Mehr Informationen aus der Dortmunder Innenstadt, einen Newsletter und alle Ausgaben zum Download gibt es auf DO! City.

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