1. Themen
  2. Dortmund historisch
  3. Zeitzeichen Dortmund
  4. Frühneuzeitliches Rechenbuch-Manuskript des Johann Albert
Stadtarchiv

Zeitzeichen Dortmund

Frühneuzeitliches Rechenbuch-Manuskript

Homeschooling im 16. Jahrhundert

Rechenbuch des Johann Albert: Addiren in gebrochenen Zalen
Bild: Stadtarchiv Dortmund
Rechenbuch des Johann Albert: Addiren in gebrochenen Zalen
Bild: Stadtarchiv Dortmund

Rechenbuch des Johann Albert, um 1540/50
(StadtA Dortmund, Best. 203, Nr. 29)
Papier, 135 Blätter
Maße: 10 x 15 cm (8o)

Als Rechenbücher werden praxisorientierte mathematische Lehrbücher aus der Zeit des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit bezeichnet. Ihr Ursprung liegt in den mathematischen Aufgabensammlungen des Orients. Die ersten europäischen Rechenbücher entstanden im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Hochmittelalter in Italien. Rechenmeister (ital. Maestri d’abbaco) beschrieben in volkssprachlichen Darstellungen die wichtigsten Rechenoperationen für Kaufleute und Handwerker.

Nach italienischen Vorbildern entstanden im deutschsprachigen Raum ab dem späten 15. Jahrhundert eine Reihe von Rechenbüchern, die sich überwiegend mit Aufgaben der angewandten Arithmetik befassen. Das bekannteste frühneuzeitliche Rechenbuch wurde 1522 erstmals gedruckt und stammt von dem erzgebirgischen Rechenmeister Adam Ries(e). Dieses und andere frühe Rechenbücher waren als erste Lehrbücher des Rechnens wegweisend und haben zu ihrer Zeit hohe Auflagen erreicht. Durch sie wurden nicht nur die indisch-arabischen Ziffern eingeführt, sondern sie trugen auch zum Entstehen der deutschen Schriftsprache bei.

Zu den einflussreichen frühen Werken der praktischen Mathematik wird auch das in zwei Auflagen (1534 und 1541/42) gedruckte "Rechenbüchlein auff der linien, dem einfeltigen gemeinen man odder leien, und jungen anhebenden liebhabern der Arithmetice […]" des Wittenberger Rechenmeisters Johann Albert (1488–1558) gezählt. Albert wirkte mehr als 25 Jahre als Küster der Wittenberger Stadtkirche St. Marien, wo er unter anderem für die Kastenrechnung verantwortlich war. Daneben betätigte er sich als Hilfslehrer für Glaubenslehre und Arithmetik an der Wittenberger Mädchenschule.

Das oben abgebildete Manuskript aus den Beständen des Dortmunder Stadtarchivs kann durch Schriftvergleiche eindeutig Johann Albert zugeordnet werden. Möglicherweise ist es in Vorbereitung auf dessen zweites Rechenbuch entstanden. Wie und wann die in Latein und Niederdeutsch verfasste Handschrift nach Dortmund gelangt ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Neben den Grundrechenarten finden sich hier einfache Rechenregeln, wie die Regula Detri zur Dreisatzrechnung oder zum Rechnen mit Brüchen. Die Abbildung zeigt Blatt 67r (fol. 55r) des Rechenbuchs mit dem Beginn des Kapitels über das Addiren in gebrochenen Zalen. Die erste Zeile lautet: Wievil macht 2/7 3/7 6/7 4/7 // 15/7 od[er] 2 Gantz 1/7 Teil.

Wie die meisten Rechenbücher der Zeit schließt auch das Dortmunder Manuskript mit Unterhaltungsaufgaben ab, die dem Leser als Denksport dienten und das Können der Rechenmeister unter Beweis stellten. Als Beispiel sei hier eine Aufgabe auf Blatt 129v (fol. 97v) angeführt, die vielleicht auch dem heutigen Leser etwas Kurzweil und Knobelspaß verschafft:

Item ein Ieger [Jäger] iaget einen Hasen mit einem Winde [Windhund], und de Hase is 140 Sprünge vor dem Winde. Nun so vacken [während] de Hase 5 Springe thut, so vackhen thut de Hund 7 Springe. So frage ickh, in wevyel [wie vielen] Sprüngen de Windt den Hasen averlopen [überlaufen] were.

Auflösung der Rechenaufgabe aus dem mathematischen Lehrbuch des Johann Albert (StadtA Dortmund, Best. 203, Nr. 29, Blatt 129v-130r, fol. 97v-98r):

Facit 490 Sprünge. […] Nim 5 Spring des Hasen von 7 Sprüng des Windes, bliven twe Springe, darmede dele [damit teile] 140, komen 70. In so viel Springe awerleit [überläuft] de Winde de Hase. Dat probier also: Multiplivcier 5 des Hasen Springe mit 70, komen 350 Sprünge, dartho adde [dazu addiere] de 140 (de der Hase tovorn heffe [voraus hat]), komen 490 Sprünge. So viel Sprünge deit ockh [tut auch] de Windte, wente multiplicier 7 Sprünge des Hundes ockh mit 70, komen ockh 490 Sprünge.

Hartwig Kersken

Mehr zum Thema

Hansetag virtuell und historisch

Informationen aus dem Stadtarchiv der Stadt Dortmund zum Thema "Hansetag virtuell und historisch"

Dortmunder Denkmalhefte

Tauchen Sie ein in die Dortmunder Denkmalhefte und entdecken Sie die faszinierende Welt des Denkmalschutzes.

Achtung: Seuche!

Informationen aus dem Stadtarchiv der Stadt Dortmund zum Thema "Achtung: Seuche!"

Steinwache online

Eine Übersicht zu weiteren Formaten und online Beiträgen zur Geschichte des Nationalsozialismus in der Stadt Dortmund.

Denkmalbereiche

Entdecken Sie Denkmalbereiche als lebendige Zeitzeugen und kulturelle Schätze unserer Geschichte.

Das neue Dortmund

Informationen über das neue Dortmund von "heute" im Bezug auf die Stadtgeschichte.

Wißstraße

Informationen über die Wißstraße in Dortmund, eine der ältesten Straßen Dortmunds.

Finanzielle Förderung

Finanzielle Förderung für Denkmaleigentümer in Dortmund: Steuervergünstigungen, Zuschüsse, Darlehen und mehr.

Die Sanierung des Dortmunder Rathauses

Ein Einblick in die Sanierungsarbeiten im Dortmunder Rathaus.

Gnadenort

Informationen über die Straße Gnadenort in Dortmund, die sich im nördlichen Teil der Innenstadt befindet

Wanted - Dead or Alive

Informationen aus dem Stadtarchiv der Stadt Dortmund zum Thema "Wanted - Dead or Alive", einem Verbrecheralbum für den westlichen Industriebezirk.

Handschriften & Historische Buchbestände

Die Handschriftenabteilung, auch bekannt als „Westfälisches Handschriftenarchiv“, beherbergt die verborgenen Schätze der Stadt- und Landesbibliothek.

Kampfmittelbeseitigung / Luftbildauswertung

Informationen zum Thema Kampfmittelbeseitigung/Luftbildauswertung des Ordnungsamtes der Stadt Dortmund

Platz von Netanya

Informationen über den Platz von Netanya in Dortmund, die Fläche zwischen der Kampstraße, der Hansastraße und dem Westenhellweg.

Denkmalschutzgesetz

Denkmalschutzgesetz NRW: Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Bestimmungen für den Schutz und die Erhaltung historischer Denkmäler in Dortmund.