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Hansetag virtuell und historisch

Dortmund als Hansestadt: Protokoll des Hansetages 1487

Best. 1 Reichsstadt Dortmund: Urkunden, Nr. 3535, von 1487
Bild: Stadtarchiv Dortmund
Best. 1 Reichsstadt Dortmund: Urkunden, Nr. 3535, von 1487
Bild: Stadtarchiv Dortmund

(Stadtarchiv Dortmund, Best. 1 Reichsstadt Dortmund: Urkunden, Nr. 3535; geheftete Papierlagen 22 x 31 cm)

Vom 4. bis 7. Juni 2020 sollten die 40. internationalen Hansetage in Brilon stattfinden, doch musste wegen der Corona-Pandemie umgedacht werden. So richtete Brilon die "Ersten Virtuellen Hansetage in der 660-jährigen Geschichte der Hanse" aus und es sollten "statt Marktplatz, Bürgerzentrum oder Kreishauspark … die Webseite und die sozialen Medien die Treffpunkte der Hanseatinnen und Hanseaten werden" (hansetagebrilon.de). Auch das 40jährige Bestehen der "Neuen Hanse" sollte gefeiert werden, die 1980 in Zwolle gegründet wurde, um historische Hansestädte in einer internationalen Städtegemeinschaft erneut zusammenzubringen. Schon der 2. Hansetag der Neuzeit fand 1982 in Dortmund statt, um der bedeutenden Stellung der Stadt innerhalb der mittelalterlichen Hanse Rechnung zu tragen.

Westfälische Fernkaufleute aus Dortmund, Soest und Münster bereisten schon seit dem 10. Jahrhundert die Handelsplätze an Nord- und Ostsee und bildeten den Kern der Proto-Hanse. In den folgenden Jahrhunderten etablierte sich ein Netzwerk von Brügge und London im Westen über Bergen im Norden bis nach Riga und Nowgorod im Osten, bis schließlich Mitte des 14. Jahrhunderts die eigentliche Hanse als Gemeinschaft aller niederdeutschen Kaufleute gegründet wurde. Seitdem traf man sich regelmäßig auf den Hansetagen und protokollierte die Verhandlungsergebnisse und Beschlüsse in den sogenannten Rezessen.

Bestand 1, Nr. 3535, Zitat rechte Seite unten
Bild: Stadtarchiv Dortmund
Bestand 1, Nr. 3535, Zitat rechte Seite unten
Bild: Stadtarchiv Dortmund

Im Stadtarchiv Dortmund liegt ein solcher Rezess eines der wichtigsten und bestbesuchten Hansetage des Spätmittelalters vor, der ab dem 24. Mai 1487 für mehrere Wochen in Lübeck stattfand. Das Stück aus 51 zusammengehefteten Blättern weist einen eindrucksvollen alten Schaden auf: Die Hälfte des Textes ist durch Mäusefraß zerstört. Das wird passiert sein, als das Dortmunder Stadtarchiv noch an seinem ursprünglichen Aufstellungsort im alten Rathaus, im rückwärtigen Archivturm, untergebracht war, denn der Schaden am Schriftstück ist schon 1883 festgestellt worden. Damals sichtete man für den Druck der Hanserezesse alle Überlieferungen (Hanserecesse von 1477-1530, III. Abt., 2. Band, bearb. v. Dietrich Schäfer, Leipzig 1883; alle Bände online unter hansischergeschichtsverein.de/hanserecesse).

Der Einladung Lübecks waren Vertreter aus 17 Städten - Köln, Hamburg, Kiel, Lüneburg, Rostock, Wismar, Stralsund, Stettin, Danzig, Kolberg, Riga, Reval, Deventer, Zütphen, Zwolle, Kampen und Dortmund - gefolgt, von denen etliche Vollmachten für weitere 24 Städte besaßen. Die Ratssendeboten, wie die Stadtvertreter genannt wurden, gehörten zur exklusiven Oberschicht ihrer Städte. Sie stammten aus Patrizierfamilien, die seit Generationen die Spitzenpositionen im Rat besetzten und hatten genügend Erfahrung als Diplomaten, um auf den Hansetagen auch den geladenen Fürsten oder ihren Gesandten gegenüber zu treten. Die Dortmund Gesandtschaft wurde angeführt von Johann von Hövel, der seit vier Jahrzehnten die Interessen seiner Stadt als Ratsherr vertrat und in diesem Jahr erneut Bürgermeister war.

Bestand 1, Nr. 3535, Fortsetzung Zitat links oben ("Dorptmunde")
Bild: Stadtarchiv Dortmund
Bestand 1, Nr. 3535, Fortsetzung Zitat links oben ("Dorptmunde")
Bild: Stadtarchiv Dortmund

Die hier abgebildeten Textpassagen (§ 168) betreffen die langwierigen Verhandlungen über die Probleme im Londoner Kontor. England klagte über Handelsnachteile im eigenen Land und beschuldigte die Hanse der Seeräuberei, während die deutschen Kaufleute über Beschlagnahmungen, Sonderzölle und Ausfuhrverbote für Stoffe klagten. Da Dortmunder Kaufleute eine starke Stellung im Londoner Kontor hatten, gehörte der Dortmunder Johann von Hövel neben Vertretern aus Hamburg, Danzig, Lübeck und den niederländischen Städten zu einer Untersuchungskommission, welche diese Vorwürfe untersuchen sollte: "Darto synt gevoget unde gedeputeret [= verfügt und abgeordnet] de heren, de tovoren by der Rekenschop synt gewesen, alse eyn van Hamborch, nemptlik her Hennynck Burink, eyn van Dorptmunde, her Johan van Hovelen, eyn van Danzick, her Johann Eggerdes, eyn van den Zuderseschen [zuiderseeischen Städten], nemptliken her Arnd Huyrnyck, unde twe uth dem Rade to Lubeke nemptlich her Hinrick Lipperade unde her Dideryk Huepp." Nach Prüfung aller Zeugenaussagen und Rechnungen bestimmte die Kommission eine hohe Entschädigungszahlung an alle von englischen Sonderzöllen betroffenen Hansestädte.

Der gravierende Schaden an diesem originalen Schriftstück konnte durch parallele und sogar veröffentlichte Überlieferungen ergänzt werden, doch wäre es ein Einzelstück - wie fast alle Dokumente im Stadtarchiv Dortmund -, wäre der Informationsverlust immens. Daher soll hier nur erwähnt sein, dass konservatorische Maßnahmen zu den grundlegenden Aufgaben eines modernen Archivs gehören. Um unsere bis zu 800 Jahre alten Bestände für die Zukunft zu erhalten, müssen alle Unikate durch klimatisierte, lichtgeschützte und staubfreie Aufbewahrung in säurefreien Verpackungen geschützt und papierfressende Schädlinge wie etwa die in Deutschland immer häufiger auftretenden Papierfischchen abgewehrt werden.

Henrike Bolte

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